Nordin
Held im Kampf gegen Landnahme für Palmöl
Der Anbau von Ölpalmen für die weltweite ölverarbeitende Industrie hat Indonesien tausendfachen Landraub, gewaltsame Vertreibungen von Einheimischen aus ihrem traditionellen Lebensraum sowie eine beispiellos großflächige Vernichtung eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde beschert.
Nordin von der ehemals dicht bewaldeten Insel Borneo – der drittgrößten Insel der Welt – hat sich drei Jahrzehnte lang unerschütterlich gegen ein übermächtiges Koloniales Erbe in ihrem Land Indonesien gestemmt und bahnbrechendes für Mensch und Natur erreicht: Der Ureinwohner Nordin hat die invasive Landaneignung durch die Palmöl-Industrie weltweit öffentlich gemacht und damit die Saat für ihre politische Ächtung gesät. Nordin besitzt nur einen Eigennamen ohne Familiennamen; so ist es in vielen ländlichen Gegenden Südostasiens üblich.
Nordin wurde in der Großstadt Palangka Raya geboren und wuchs dort auf. Zu dieser Zeit war Borneo noch das von westlichen Reiseführer*innen heraufbeschworene, blühende Tropenwald-Paradies: 80 Prozent der Insel waren von Jahrmillionen altem Wald bedeckt – ein Wald mit einer unvergleichlichen biologischen Vielfalt. Nordins Großvater erzählte seinem Enkel fast täglich Geschichten aus dem Wald ihrer Ahnen und führte ihn öfter vor die Tore der Stadt, wo noch üppiger Urwald wuchs.
Fasziniert von seinen eigenen Wurzeln und den inspirierenden Naturerlebnissen entschloss sich Nordin schon in der Schulzeit, sein Leben der Erhaltung der Wälder seiner Heimat zu widmen. Bereits Ende der achtziger Jahre trat er der damals noch jungen Naturschutzorganisation WALHI bei, und wurde bald ihr Vorsitzender. Um den lokalen Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörung zu vernetzen und ein politisches Zeichen zu setzen, gründete Nordin 2005 die Organisation Save our Borneo (SOB). Seine Mission war es stets, eine gute demokratische Regierungsführung herbeizuführen, die das Wissen der indigenen Bevölkerung nutzt, um ein ökologisch und sozial nachhaltiges Leben für alle zu erreichen. Als wichtigstes Ziel von SOB hatte Nordin definiert, den indonesischen Teil Borneos ökologisch und geopolitisch mit Hilfe des kollektiven traditionellen Wissens „zu retten“, indem die Souveränität der einheimischen Bevölkerung über die natürlichen Ressourcen zur Wahrung der Lebensgrundlagen wieder hergestellt werden. Als Instrument hat Nordin die Menschen der Zivilgesellschaft in ganz Borneo vernetzt, um alle Partner*innen zu befähigen, analytisch-strategisch gegen Landraub vorzugehen. Um diese Ziele auch politisch durchsetzen zu können, hat Nordin „seine Kamera als Waffe“ verwendet: Er dokumentierte und kartierte Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in ganz Borneo. Er machte die Dokumentationen weltweit publik, reiste nach Europa zu den Zentren der Palmöl-Industrie (z.B. Biodiesel-Raffinerien, Fertiglebensmittelkonzerne) und holte internationale Partner*innen ins Boot.
Vor wenigen Jahren entwickelte Nordin einen besonders effizienten Ansatz, die illegalen Praktiken vieler Palmöl-Konzerne zur Entwässerung von Torfwald-Böden zu bekämpfen: Mit Hilfe vieler Freiwilliger staute er einige der Haupt-Verbindungsstellen der Entwässerungs-Kanäle durch einen Damm, um die von der Rodung bedrohten Waldgebiet wieder zu vernässen und die Anpflanzung von illegalen Ölpalm-Plantagen zu erschweren.
„Das ist die zweitbeste Methode der Feuerprävention. Die beste Methode wäre, den Torfsumpfwald zu schützen. Auf keinen Fall dürfen hier neue Plantagen gepflanzt werden“, so Nordin. „Es gibt eine Menge Palmölfirmen, die die Gesetze übertreten. Ihnen müssen die Genehmigungen sofort entzogen werden.“
Sein eigenes Schicksal und das seiner Familie hat Nordin stets hintangestellt. Dabei hätte er es für die gute Sache leicht ausschlachten können: Einer seiner Söhne – geboren im bisher schlimmsten Waldbrandjahr 1997 – leidet seit seiner Geburt an lebensbedrohlich schwerem Asthma und wäre mehrmals beinahe daran gestorben; vor allem während der verheerenden, fünf Monate andauernden Waldbrände zum Jahreswechsel 2015/16, als der Rauchdunst teilweise so dicht war, dass man keine 50 Meter weit sehen konnte und die giftigen Gase und Feinstaubpartikel lebensgefährliche Werte weit überschritten.
Der gefährliche Kampf gegen eine allseits gewaltbereite und korrupte Herrschafts-Elite, die ihre Wurzeln in der niederländischen Kolonialzeit sowie in der Günstlingswirtschaft unter dem ehemaligen Diktator Suharto hat, kostete Nordin im Jahr 2017 das Leben: Seine Frau Lily fand ihren erst 47-jährigen Mann nach dem muslimischen Zuckerfest tot in seinem Büro auf.
Beitrag von Christian Offer/ ecodevelop
- Den Link zu den Internetseiten der von Nordin gegründeten Organisation Save Our Borneo (SOB) finden Sie hier: www.saveourborneo.org
- Weitere Hintergrundinfos zu den Aktivitäten von Nordin und seinen Kolleg*innen sind hier zu finden: Rettet den Regenwald e.V.